Meinung: Ungerechter Tausch

Meinung: Ungerechter Tausch

(CleverCl / Flickr / cc-by-2.0)

China steht immer wieder dafür am Pranger, mit Organen zu handeln. Doch die Kritik an dieser Praxis wird allein nichts ändern. Denn der Transplantationstourismus ist zumindest ein bedeutender Teil des Problems.

Inge Wünnenberg, TR-Redakteurin, trägt immer einen Organspenderausweis bei sich.

Offiziell hat China unter dem Druck des Westens seine menschenverachtende Transplantationspraxis zum 1. Januar 2015 aufgegeben. Aber wie der Kommunistische Staat an die Organe für seine jährlich mindestens 20.000 Transplantationen herankommen will, bleibt ein Geheimnis: So werden der deutschen Ausgabe der Onlinezeitung Epoch Times zufolge im Reich der Mitte bis heute äußerst viele Organe verpflanzt, obwohl dort offensichtlich gar kein privates Spendersystem existiert. Das liegt unter anderem daran, dass viele Chinesen an eine Wiedergeburt nach dem Tod glauben und deshalb einen vollständigen Körper behalten wollen.

Woher also sollten die zahlreichen Organe kommen, wenn nicht von den Todeskandidaten sowie ? noch erschreckender ? von aus weltanschaulichen Gründen Inhaftierten. Um diese “moderne Form der Sklaverei” zu ächten, lud zum Beispiel Papst Franziskus zu Beginn des Jahres zu einer Konferenz gegen den Organhandel in den Vatikan ein. Der wird allerdings nicht nur in China ausgeübt, sondern auch in vielen armen Ländern in Asien oder Südamerika sowie in der Türkei oder Ägypten ? wenn auch meist illegal.

Was allerdings seltener erwähnt wird: Nutznießer sind fast ausschließlich ausländische Empfänger. Es ist berechtigt, China und andere Länder an den Pranger zu stellen. Aber ein Teil des Problems sind auch jene Gesellschaften, aus denen die Transplantationstouristen kommen. Gerade erst informierte sich der
Gemeinsame Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, Handel und Verteidigung des irischen Parlaments über den Ursprung der in China transplantierten Organe.

Als Experten kamen der kanadische Menschenrechtsanwalt David Matas and der amerikanische Journalist Ethan Gutmann zu Wort. Beide haben im vorigen Juni gemeinsam mit dem kanadischen Menschenrechtsaktivisten David Kilgour den Untersuchungsbericht “Bloody Harvest / The Slaughter ? An Update? veröffentlicht, und Gutmann wurde für sein Engagement und diese Arbeit in diesem Jahr für den Friedensnobelpreis nominiert. Der irischen Regierung empfahlen Matas und Gutmann jetzt vor allem, Transplantationstourismus zu verbieten.

Das ist ein Weg, den andere Länder bereits gegangen sind. Wie solch eine Lösung aussehen könnte, zeigte der Israeli Jacob Lavee. Als Präsident der israelischen Transplantations-Gesellschaft initiierte er in seinem Land 2008 das weltweit erste Gesetz gegen Transplantationstourismus. Es verbietet Staatsangehörigen, sich Organe im Ausland zu besorgen, und stellt Verstöße unter Strafe.

Allmählich folgen weitere Länder dem Vorbild. Spanien, Taiwan und auch das italienische Parlament erließen ähnliche Gesetze. Belgien, Frankreich, Kanada und Australien haben immerhin schon Entwürfe auf den Weg gebracht. Nun sollte auch Deutschland sich dazu durchringen. Der Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt fordert es, aber geschehen ist bisher nicht viel. Dabei ist dies letztlich die einzig richtige Marschrichtung: Wenn kein Markt für Organhandel mehr existiert, schwindet der finanzielle Anreiz, etwa für Schlepper und mafiöse Organisationen.

Dass selbst ein staatlich kontrollierter Organhandel, wie er etwa im Iran unter dem Motto “Von Iranern für Iraner” stattfindet, keine ideale Lösung ist, zeigte bereits im Jahr 2001 die Studie “Quality of life in Iranian kidney donors”. Die Kermanshah-Universität hatte 300 Organverkäufer befragt. Für 20 bis 66 Prozent von ihnen hatte das Veräußern ihrer Niere letztlich eher negative finanzielle Auswirkungen. 85 Prozent der Geber würden ihre Niere kein zweites Mal verkaufen, und 76 Prozent rieten potenziellen Verkäufern davon ab, ihren Fehler zu wiederholen.

Transplantationstourismus darf somit keine Option sein. Vielmehr gilt es, das Spendenaufkommen in den Ländern selbst zu erhöhen. Israel etwa hat per Gesetz festgelegt, dass Menschen mit einem Spenderausweis bei der Organvergabe bevorzugt werden können. Das ginge auch in Deutschland. Außerdem sollten wir alles tun, um die Forschung am künstlichen Organersatz voranzutreiben. (Inge Wünnenberg) / (bsc)

Dieser Text ist der Zeitschriften-Ausgabe 04/2017 von Technology Review entnommen. Das Heft kann, genauso wie die aktuelle Ausgabe, hier online bestellt werden.

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